Kindheit und Religion - Horizonte religiösen Lernens

Kindheit und Religion – Horizonte religiösen Lernens, unter diesem Motto stand der Fachtag des Fachbereiches Kinder- und Jugendarbeit im Zentrum Bildung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Mitarbeitende aus dem Gemeindepädagogischen Dienst und der Kindertagesstättenarbeit kamen am 6. Juni 2013 nach Darmstadt, um den Fragen des interreligiösen Lernens nachzugehen. Der Fachtag wurde geleitet von Simone Reinisch, Referentin für die Arbeit mit Kindern in der EKHN.

Die Frage nach interreligiösen Lernen tritt heute auch im Bereich Evangelischer Bildungsarbeit an vielen Lernorten auf: Im Kindergarten ebenso wie in außerschulischen Bildungs- und Betreuungsangeboten für ältere Kinder, im Religionsunterricht sowie bei anderen Angeboten in der schulbezogenen Jugendarbeit, in der Schulseelsorge, in der Kinder- und Jugendarbeit und sogar für manche überraschend, beim Kindergottesdienst.

Der Fachtag begann mit einer Andacht zur Frage nach dem ewigen Leben. Aus dem Lukasevangelium im Kapitel 10 wurden die Verse 25 bis 37 vorgelesen. Am Beispiel des barmherzigen Samariters wurde religiöses Lernen thematisiert. Daraufhin erfolgte eine Begrüßung und eine Vorstellung. Alle Teilnehmer/innen stellten sich vor, teilten mit, woher sie kommen, welche Arbeitsschwerpunkte sie haben, und wie und wo sie Interreligiös mit Kindern arbeiten.

Der Referent des Fachtags war Prof. Dr. Friedrich Schweitzer, er hat verschiedene Forschungsprojekte zur interreligiösen Bildung in Kindertagesstätten sowie im Bereich der Grundschule durchgeführt. 
Er ist Professor für Religionspädagogik an der Universität in Tübingen und Vorsitzender der Bildungskammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der studierte Theologe und Pädagoge referierte in zwei Teilen. Im ersten Teil ging es darum, wie Kinder religiöse Unterschiede wahrnehmen und damit umgehen. Im zweiten Teil ging es darum, wie Hauptberufliche in der Arbeit mit Kindern in Kirchengemeinden und Kindertagesstätten auf religiös gemischte Gruppen reagieren und welche Möglichkeiten es gibt für ein interreligiöses Lernen schon im Kindesalter. Er konstatierte, dass jedes dritte Kind im Kindergarten einen Migrationshintergrund hat und jedes achte Kind eine islamische Religionszugehörigkeit. 
Aus den Berichten der Teilnehmer/innen ging hervor, dass es im Rhein-Main-Gebiet, besonders in den Städten Mainz, Offenbach und Frankfurt/Main örtlich natürlich auch deutlich mehr Kinder mit Migrationshintergrund und islamischer Religionszugehörigkeit sein können.

Der Professor wies darauf hin, dass es beim interreligiösen Lernen um ein Lernen im Blick auf andere Religionen und Weltanschauungen geht. Es geht immer um eine dialogische Handlung, die auf Anerkennung, aktive Toleranz und Respekt zielt. „Seine klarste Verkörperung findet ein solches Lernen dort, wo Angehörige verschiedener Religionen einander auch persönlich begegnen.“ Ihm geht es in erster Linie darum, von den Kindern auszugehen. Die Arbeit ist eine Arbeit von, mit und für Kinder in erster Linie. 
Im interreligiösen Bereich können kindliche Denk- und Verstehensweisen wirksam werden. Interreligiöses Lernen mit Kindern ist immer auf die Deutungsweisen der Kinder eingestellt. 

Im Blick auf die Studie hielt er zunächst fest, dass Kinder einander erfreulich offen und freundschaftlich begegnen, mit nur wenigen Vorurteilen. Auch für Kinder stellen sich angesichts religiöser Unterschiede allerdings Fragen, sie verfügen in der Regel nur über wenig Wissen zu den Religionen, häufig auch im Blick auf die eigene Herkunftsreligion – und sind nur wenig sprachfähig über die Grenzen der Religion hinweg. Es fällt ihnen oft schwer, anderen zu erklären, was man zum Beispiel in einer Kirche oder zum Beispiel in einer Moschee so macht. Die Kinder interessieren sich für Religion anderer, zeigen manchmal aber auch Unverständnis und Abwehr. Problematisch sind geläufige Verallgemeinerungen, bei denen die Religionszugehörigkeit und die Nationalität miteinander verwechselt werden („Die Moslems“ – „Die Deutschen“). Hier zeigt sich exemplarisch die Notwendigkeit einer pädagogischen Begleitung im Sinne interreligiösen Lernens. Der Pädagoge und Theologe erklärte, dass die Studien zum Grundschulalter und Religionsunterricht dies auch unterstreichen. Hier erweisen sich schon die Begriffe „evangelisch“ und „katholisch“ als nicht selbstverständlich. Wie soll nun auf konzeptioneller Ebene reagiert werden? Verbreitet sind heute vor allem drei Reaktionsformen auf Interreligiösität:

  1. Bewusste Zurückhaltung in religiöser Hinsicht.
  2. Interkulturalität statt Interreligiösität.
  3. Interreligiöse Bildung mit Kindern.

Die Form der interreligiösen Bildung mit Kindern lässt sich bewusst auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Religionen ein. Leitend ist die Frage, wie Kinder im Umgang mit religiöser Vielfalt unterstützt werden können. Nur bei einer solchen Ausrichtung der Konzeption wird interreligiöses Lernen wirklich unterstützt, so Herr Schweitzer.

Interreligiöses Lernen mit Kindern muss konsequent auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse von Kindern eingestellt sein. Dazu eignen sich neuere religionspädagogische Ansätze wie Elementarisierung und Kindertheologie. Diese rücken interreligiöse Fragen in den Horizont der Kinder oder erschließen diese von den Kindern her. Die Kindertheologie muss dabei auf den Bereich des interreligiösen erweitert und mit dem Elementarisierungsansatz verbunden werden. Die Teilnehmer/innen positionierten sich zum Teil auch kritisch zu verschiedenen Fragestellungen. 

Sie diskutierten eifrig untereinander und mit dem Referenten. Mit ihren Kompetenzen im Bereich der Arbeit mit Kindern trugen sie wesentlich zum Erfolg des Fachtages bei. Zum Ende des Fachtages gab es Literaturempfehlungen für interreligiöse Arbeit mit Kindern sowie eine Checkliste: „Fit für interreligiöse Arbeit?!“. Die Teilnehmer/innen verließen den Fachtag mit vielen neuen Anregungen und einem sehr ansprechenden Handout.