Konferenz der Kinder- und Jugendarbeit, 20.-21.03.2015, Höchst / Odw.

Freitag, 20. März 2015

Nach dem Eintreffen der Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich Kinder und Jugend, sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der EJHN, startete die Konferenz mit einer besinnlichen Andacht von Simone Reinisch und Gernot Bach- Leucht, die stimmungsvoll mit der Gitarre begleitet wurde. Daran anschließend hatte Steve Kennedy-Henkel den ersten inhaltlichen Punkt des Abends:

Steve Kennedy- Henkel „Luther neu denken“. Die Reformation.

Teil I: Historische Voraussetzungen
Steve Kennedy- Henkel beginnt seinen Vortrag mit der Erläuterung des historischen Kontextes der Reformation: Die Menschen im Jahre 1517, und weit davor, lebten meist in ärmlichen Verhältnissen und in einem spirituellen und abhängigen Verhältnis zur Kirche – gemeint ist, aus historischer Perspektive, die katholische Kirche, maßgeblich gesteuert über Dekrete und Anweisungen aus dem Vatikan in Rom. Die Menschen waren alltäglich und beständig ergriffen von einer tiefen Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer. Die Bilder ihrer Existenz und ihres Daseins nach ihrem Ableben waren geprägt von der Angst vor Schmerz, Verdammnis und Qual. Diese Vorstellungswelt bildete das fundamentale Machtinstrumentarium der Kirche zur Expansion ihrer spirituellen Führerschaft und des christlichen Glaubens, gerade und besonders vor dem Hintergrund, dass 1492 eine „neue Welt“ entdeckt wurde, in welcher der christliche Glaube völlig unbekannt war.

Kurzfilm mit inspirierendem Inhalt
Kennedy- Henkel präsentiert nach diesen einführenden Worten den unterhaltsamen und aufschlussreichen Kurzanimationsfilm „Erleben von Gott“. Dieser schildert mit inspirierenden Beispielen, wie unterschiedlich Menschen Gott erleben können und welche tiefgreifenden Erlebnisse sich mit dem Erleben von Gott ergeben.

Geschichte der Reformation
Neben den bereits skizzierten historischen Voraussetzung setzt sich der Referent insbesondere mit den Verläufen der Reformation auseinander und schildert die einzelnen Etappen, die wir in der heutigen Zeit als „Gesamtkunstwerk Reformation“ kennen.

Pest und Leiden
Durch mehrere Pestepidemien im Hoch- und Spätmittelalter, einher mit einer hohen Säuglingssterberate, bedingt durch mangelnde hygienische Mindeststandards, war der Tod für die Menschen des Mittelalters allgegenwärtig. Die Menschen befanden sich in einer permanenten Angst eines Tages selbst durch ihre eigene Sündhaftigkeit durch ein Partikulargericht nach ihrem Tode durch das Fegefeuer in die Hölle  zu stürzen. Um diesem Schicksal zu entgehen, sehnten sich die Menschen nach Seelenmessen, Pilgerfahrten und dem Kauf von Ablassbriefen, welche die Dauer ihres Aufenthaltes in der Unterwelt vermeintlich verkürzen könnten. Es entwickelte sich ein reges „Totentanz- Geschäft“ um die Macht des Todes in der Gegenwart der Menschen und die damit verbundene Heilsfunktion der Kirche als spirituelle Ordnungsmacht.

„Religiöse Leistungsgesellschaft“
Aus diesen allgegenwärtigen Exerzitien entwickelte sich eine „religiöse Leistungsgesellschaft“ der Menschheit: Nur wer besonders fromm, besonders devot gegenüber kirchlichen Autoritäten war, konnte dem scheinbar sicheren Schicksal der ewigen Verdammnis entkommen. Die Kirche, maßgeblich der Vatikan, erkannten in dem Handel mit Ablässen und dem Peterspfennig eine solide  Geldquelle zur Finanzierung des Neubaus der Petersbasilika in Rom. Der Handel mit Ablässen wurde aggressiv und einschüchternd betrieben, so dass sich kaum jemand, besonders nicht die Landbevölkerung, dem Handel entziehen konnte.

Martin Luther
Erste Kritik am katholischen Klerus und den Praktiken des Vatikans gab es bereits vor Martin Luther, doch war er der erste Geistliche, der diese Kritik pointiert und auch abseits der klerikalen Öffentlichkeit formulierte und publizierte. Henkel- Kenndy verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es geschichtswissenschaftlich umstritten sei, ob Luther seine 95 Thesen an die Wittenberger Kirchentüren anbrachte. Entscheidend sei jedoch gewesen, dass Luther seine Thesen gegen den Ablasshandel am 31. Oktober 1517 an den Mainzer Erzbischof sandte, dem heutigen Reformationstag. Luther wurde aufgefordert seine „falschen Lehren“ zu wiederrufen. Auf dem Reichsparteitag in Worm, tat er dies jedoch nicht („hier stehe ich, ich kann nicht anders“) und wurde daraufhin mit der Reichsacht belegt: Jeder Mensch konnte ihn daraufhin straffrei ermorden. Als „Junker Jörg“ floh er daraufhin mit der Hilfe von Freunden auf Burg Wartburg in Eisenach, wo er das gesamte Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte und damit dem gesamten Volk zugänglich machte. Luthers Verdienste bestehen daher nicht nur aus den Ergebnissen der Reformation, sondern auch darin, die deutsche Schriftsprache erstmalig derart umfangreich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Hinzu kam, dass der aufkommende Buchdruck, eng verbunden mit dem Namen Johannes Gutenberg, seinen technologischen Siegeszug antrat und die Schrift des neuen Testamentes schnell Verbreitung erfand.

Sola fide, sola gratia, sola Christus, sola scriptura 
Die Menschen im Hoch- und Spätmittelalter empfanden, so der Referent, den Seinsbezug zu sich selbst als Sünde. Einzig das reine Wort Gottes könne über die Sündhaftigkeit der Menschen befinden. Luther fand dazu einen anderen Zugang: Für ihn sind die Menschen durch den Glauben an Gott (sola fide), allein durch die Gnade des Herrn (sola gratia) die es den Menschen ermöglicht nur durch seine Gnade des ewige Leben zu erhalten ohne diese im Diesseits verdienen zu müssen, und nur durch Jesus Christus selbst (sola Christus) als alleinigem Heilsmittler der Gnade Gottes, niedergeschrieben in dem Wort Gottes, der Bibel, (sola scriptura) ist der Mensch angenommen und geliebt von Gott. Dieses Vertrauen auf Gott gibt dem Menschen die Freiheit sich als Teil der göttlichen Schöpfung zu verstehen. 
Henkel- Kennedy hält zum Abschluss des ersten Teils seines Referates fest, dass eine Sünde nicht mehr von Gott trennt, da dieser uns durch den Tod seines eingeborenen Sohnes bereits bedingungslos liebt und angenommen hat.


Teil II: Reformation und Bildung
Einleitung
Nach dem sehr ausführlichen und kurzweiligen Einstieg in die Thematik Reformation, folgte ein etwas detaillierterer Teil unter dem Themenkomplex „Reformation und Bildung“. Steve Kennedy- Henkel machte deutlich, dass beides eng zusammenhängt und mit der Forderung nach einer evangelischen Erziehung nur der Bau von Schulen einhergehen könne. Schwerpunkt dieser Schulen solle nicht eine Kaderausbildung zu einem evangelischen Menschen sein, sondern vielmehr die Ausbildung einer Toleranz Zentrum des evangelischen Glaubens sein sollte. Hintergrund ist die Tatsache, dass nur ein reflektierter und aufgeklärter Mensch, der seinen eigenen Glauben und seine eigene Religion kennt dazu fähig ist, sich anderen Religionen zuzuwenden um mit ihnen zu diskutieren. Hinzu kam für Luther noch maßgeblich der Umstand, dass er eine recht moderne Form der Geschlechtergerechtigkeit propagierte: Er forderte die Unterrichtung beider Geschlechter in den Schulen, denn alle Menschen benötigen seiner Meinung nach die gleichen Bildungsmöglichkeiten, um ihren evangelischen Glauben zu kennen und zu leben.


Teil III: Warum Luther toll ist
Zu Beginn des kurzen Schlusskapitels des Vortrages richtete Kennedy- Henkel seinen Fokus zuerst auch auf die negativen Seiten der Lehre von Luther: Besonders seine judenfeindliche Haltung und seine Ansichten über Türken wurden kritisch erörtert. Es zeigte sich im Plenum ein großer Bedarf danach, diese Schriften im zeitlichen Kontext der Zeit zu sehen, was auch die Zustimmung des Referenten traf. Nicht umsonst habe sich die Evangelische Kirche losgesagt von den antisemitischen Schriften Martin Luthers. Ein kritischer und reflektierter Umgang mit ihnen ist jedoch nac wie vor geboten und notwendig.


Für Kennedy- Henkel lagen die tollen Seiten Luthers jedoch insbesondere auch daran, dass er einen „fröhlichen Protestantismus“ forderte, der sich lebensbejahend und den Menschen zugewandt zeige. Man solle fröhlich Glauben um den Teufel auszulachen. Das Lachen und die Freude an unserem Leben kämen schließlich aus dem Glauben.
Das Plenum bedankte sich bei Steve Kennedy- Henkel mit anhaltendem Applaus für den sehr unterhaltsamen und anspruchsvollen Vortrag.


Die anschließende Diskussion drehte sich insbesondere um Fragen nach dem Inhalt der 95 Thesen und ihrer Wirkung auf die Gegenwart, der Frage nach der religiösen Bildung als Religionsunterricht in Schulen und, etwas allgemeiner, danach, was das „evangelisch“ in der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau konkret in der Gegenwart bedeuten könnte. 

Der Abend klang gemütlich in der „Klosterstube“ aus.

 


Samstag, 21. März 2015


Vortrag Prof. Dr. Ivo Züchner, Bildungswissenschaftler, Universität Marburg
Nach einer freundlichen Begrüßung und einer kurzen Einführung in das Wirken von Prof. Dr. Ivo Züchner durch Stephan Da Re (Fachbereich Kinder und Jugend), in welcher insbesondere auf die aktuellen Diskussionen rund um das emotionale Thema „Ganztagsschule“ eingegangen wurde, präsentierte Prof. Züchner seine ersten Präsentationsfolien und startete damit seinen Vortrag.


Prof. Züchner stellte zuerst seine umfassenden empirischen Ergebnisse zu dem Themenkomplex „Ganztagsschule“ vor und machte das Plenum mit den Zahlen vertraut. Prof. Züchner stellt die Ergebnisse seiner Forschungen unter das Schlagwirt des „Ausbaus in Vielfalt“:

  • Besonders in Hessen zeigt sich eine starke Heterogenität in der Ausgestaltung, Finanzierung und Ausstattung.
  • In den meisten Fällen ist nicht ganz klar, welcher „Ort“, oder welcher „Raum“ tatsächlich als „Ort der Schule“ zu definieren ist. Muss ein Ganztagesangebot zwingend in der Schule stattfinden? Welche Räume eignen sich noch für ein strukturiertes Ganztagesangebot?
  • Wohin werden die vorhandenen Finanzmittel gelenkt? Ergebnis: Die Finanzen werden in der Regel zum räumlichen Ausbau der Schulgebäude verwendet und nicht in die Konzeption der Ganztagesschulen investiert.

Das Bundesland Hessen vollziehe, nach Ansicht von Prof. Züchner, ein Konzept der „Ganztagsschule light“: Demnach ein Konzept, das sich zwar Ganztagsschule nennt, dabei jedoch kein tatsächliches Unterrichts- und Weiterbildungskonzept unterbreitet, sondern vielmehr eine „Nachmittagsbetreuung“ offeriere, die meist ohne professionelle pädagogische Begleitung erfolgt.


Dieser „Pakt für den Nachmittag“ sei, beispielsweise in einem direkten Vergleich mit Rheinland- Pfalz, wenig verlässlich und erzeuge einen Flickenteppich in der hessischen Schullandschaft.


Prof. Züchner wirft zudem die drängende Frage auf, welche Aufgaben und welche inhaltlichen Ausrichtungen ein Ganztagesangebot haben sollte.
Nach einer kurzen Reflexion über den geleisteten Input fährt Prof. Züchner damit fort, das (mögliche) Spannungsverhältnis zwischen einer Ganztagsschule und einer professionellen Jugendarbeit näher zu beleuchten. 
Besondere Sorge bereitet den Akteuren dabei eine zeitliche Konkurrenz in den Angeboten der Jugendarbeit: Angebote können mitunter untereinander konkurrieren; sowohl zeitlich, als auch inhaltlich


Als besonders interessant erwiesen sich Vergleichszahlen aus Rheinland- Pfalz und Hessen: In Rheinland- Pfalz nahmen Schülerinnen und Schüler 4- 5-mal häufiger an Ganztagesangeboten teil, als in Hessen: Nahezu 70 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Rheinland- Pfalz besuchen ein strukturiertes Ganztagesangebot ihrer Schule. Mit zunehmendem Alter nimmt die Bereitschaft an einem Ganztagesangebot zu partizipieren jedoch ab, so dass meist die unteren Jahrgänge einer Schule in den Ganztagesangeboten zu finde sind. Inhaltlich sind die Sportangebote der Schulen bei den Schülerinnen und Schülern besonders beliebt. 
In Rheinland- Pfalz wurde mit einer strukturellen Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Anbietern pädagogischer Veranstaltungen bereits in den Jahren 2002 und 2003 begonnen.


Nach einer erneuten inhaltlichen Reflexion über die bisherigen Ergebnisse wurden die Auswirkungen der Ganztagsschule beleuchtet und thematisiert. 
Hierbei war es Prof. Züchner wichtig festzuhalten, dass Ganztagsschule nicht immer zwingend in den Räumen der Schule stattfinden muss, sondern frei ist in der Gestaltung ihrer Inhalte, Angebote, Konzeptionen und eben auch der Räumlichkeiten. 
Die Effekten und (positiven) Auswirkungen einer Ganztagsschule sind empirisch nur sehr schwer bewertbar und können daher spekulativen Boden nicht verlassen. Was jedoch empirisch nachweisbar ist:

  • In Schulen mit strukturiertem Ganztagesangebot ist die Zahl der „Sitzenbleiber“ wesentlich geringer.
  • Positive Effekte hängen stark von der Verweildauer in einem Ganztagesangebot ab.
  • In Teilen weisen die Schülerinnen und Schüler mit einem Ganztagesangebot ein besseres Sozialverhalten auf.
  • Mit einem strukturierten Ganztagesangebot ist eine Freizeiteinschränkung nicht verbunden.

Den vorerst letzten Teil seiner Präsentation bildete die Fragestellung nach den Kooperationsbeziehungen zwischen Jugendarbeit und Schule. Hierbei war es Prof. Züchner wichtig zu betonen, dass die Jugendarbeit derzeit kaum konzeptionell mit den Schulen zusammenarbeitet und an dieser Stelle sehr viel Potenzial ungenutzt bleibe. Auch treten an diesen Stellen einer möglichen Zusammenarbeit immer wieder Probleme einer ungeklärten Finanzierungsfrage auf.


Im Fazit des Vortrages wurden nochmal intensiv die referierten Inhalte aufgegriffen und kritisch untersucht. Dabei kristallisierten sich mehrere Fragestellungen und Problemlagen heraus, die wie folgt lauteten:

  • Was kann Kooperation zwischen Schule und Jugendarbeit leisten und sein?
  • Was ist das Ziel (das Objekt) der Kooperation zwischen Schule und Jugendarbeit?
  • Die Schule als System ändert sich nicht.
  • Wo werden Freiraum und Mitbestimmung definiert und gewährt?
  • Welchen Stellenwert kann ein gemeinsam erarbeiteter lokaler Bildungsplan haben?

In der anschließenden Diskussion reflektierte das Plenum zum einen die vorgetragenen Inhalte, zum anderen brachten zahlreiche (jugendliche) Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen mit Ganztagsschulen und anderen Betreuungsangeboten ein. Es fand eine sehr kritische, aber auch inhaltlich sehr reflektierte Diskussion statt.


Das Plenum bedankte sich bei Prof. Züchner für den sehr faktenreichen, aber auch unterhaltsamen Vortrag mit langem Beifall.


Daran anschließend hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit in Kleinarbeitsgruppen mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten das Thema „Wie muss Schule werden um Schule zu machen?“ zu erörtern und zu diskutieren:

  • Prof. Dr. Ivo Züchner, Uni Marburg
  • Fevzije Zeneli, Hessische Landesschulsprecherin
  • Rainer Lorenz, Mitglied des Ausschusses für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Bildung und Erziehung der Elften Kirchensynode der EKHN und ehemaliger Schulleiter
  • Stephan Da Re, Theologischer Jugendbildungsreferent (Fachbereich Kinder und Jugend im Zentrum Bildung der EKHN)
  • Dr. Harmjan Dam, Studienleiter des RPI
  • Dr. Peter Kristen, Schulseelsorger am Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Büdingen und Konventssprecher der Schulseelsorger_innen
  • Volker Heuser, Dekanatsjugendreferent Ev. Dekanat Ingelheim - Jasmin Meister, Vorsitzende der EJHN e.V.

In unterschiedlichen Kleingruppen fanden sich die Interessentinnen und Interessenten in verschiedenen Räumen des Kloster Höchst zusammen und hatten, im Stile einer offenen Arbeit, neunzig Minuten Zeit den Themenkomplex zu diskutieren. Dabei entwickelten sich lebhafte, angeregte und anspruchsvolle Diskussionen. Nach der Arbeit in den Kleingruppen fanden sich sowohl die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, als auch die Referentinnen und Referenten zu einer Podiumsdiskussion im Plenum wieder ein.


Eine angeregte Diskussion entwickelte sich besonders in den Punkten „Religionsunterricht“ und Schulsozialarbeit. Hier berichteten sowohl die Diskutanten, als auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ihre eigenen Erfahrungen. Flankiert wurde die Diskussion besonders durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Prof. Züchner, als auch durch die praktischen Erfahrungen von, zum Beispiel, Fevzije Zeneli, die als Landesschulsprecherin unmittelbar aus der Praxis berichten konnte. Die Thesen der Diskustanten finden Sie, gemeinsam mit einer Kurzvita, im Anhang dieses Tagungsberichtes.


Highlight des Tages war daran anschließend der Einführungsgottesdienst des neuen Landesjugendpfarrers Gernot Bach- Leucht. In ihrer Rede hob die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten, Ulrike Scherf, die besondere Rolle der evangelischen Jugendarbeit heraus. Nach Scherf sind „junge Menschen mit ihren Ideen, Fragen, Anregungen, ihrer Kritik und Energie ein Schatz für unsere Kirche“. Es habe sich gezeigt, dass sie ein besonderer „Seismograph für gesellschaftliche, politische und kirchliche Entwicklungen“ seien und sie sich besonders auf neue Wege einließen. Deshalb reize die Arbeit mit ihnen und fordere gleichzeitig heraus. Wichtig ist nach Scherf auch, auf die „Erfahrung des Angenommenseins von Gott“ zurückzugreifen und sie ausstrahlen zu lassen. So könnten „junge Menschen im Zutrauen zu ihren Gaben gestärkt werden“ und sich „in unserer Kirche mit dem, was sie wollen und brauchen wahrgenommen und geachtet fühlen“.

Gernot Bach-Leucht sprach besonders das Thema „Vertrauen und Zutrauen“ an. Gott schenke Menschen Vertrauen und so könnten sie auch anderen „vertrauen und etwas zutrauen“. Dies sei gerade mit Blick auf Jugendliche besonders wichtig „in unserer Kirche und Gesellschaft“. Der Landesjugendpfarrer betonte auch, dass in der EKHN schon „viele Schritte im Vertrauen auf Jugendliche und ihnen etwas zuzutrauen“ gegeben habe. Als Beispiel nannte er die Benennung von Jugendsynodalen in die Kirchensynode und in die Dekanatssynoden sowie die Wahl von Jugenddelegierten in die Kirchenvorstände. „Jugendliche können uns Impulse geben, uns in der Kirche weiter zu entwickeln. Wir sollten sie einladen, mit uns ein Stück des Weges zu gehen und uns von ihnen ebenso dazu einladen lassen“, so Bach-Leucht.

 

ANHANG:

Thesenzusammenfassung und Kurzvita der Podiumsteilnehmer_Innen


Prof. Dr. Ivo Züchner, Uni MarburgVita:

Geboren 1971,  Studium der Erziehungswissenschaft in Dortmund, wiss. Mitarbeiter an der Uni Dortmund, im Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München und im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Vertretungsprofessur an der Uni Frankfurt 2007-2009, seit 2013 Professor für außerschulische Jugendbildung an der Philipps-Universität  Marburg; Arbeitsschwerpunkte: Jugendarbeit, Ganztagsschule, Jugendforschung, nonformale und informelle Bildung im Kindes- und Jugendalter
     

These:
Die Ganztagsschulen haben die Schullandschaft und die außerschulische Jugendarbeit weit weniger verändert als anfangs angenommen. Ganztagschulen sind in der großen Mehrheit primär Unterrichtsschulen geblieben;  gleichzeitig ringen die Träger der Jugendarbeit noch mit ihrer Rolle zwischen Konkurrenz, Dienstleister und Mitgestalter der Ganztagsschulen.

Fevzije Zeneli, Hessische Landesschulsprecherin

Vita: 17 Jahre alt, Gießen, besucht die 12. Klasse der Gesamtschule Gießen-Ost, engagiert sich seit der 2. Klasse als Klassensprecherin in der Schülervertretung, aber mit der richtigen Bildungspolitik hat sie im Februar 2013 angefangen; „Meine Begeisterung zu sozialem Engagement habe ich, durch die eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen der Missstände und Probleme im Bildungswesen, entdeckt.“

These:
Meiner Meinung nach muss sich etwas verändern. Junge Menschen sollen sich für ein
besseres Bildungssystem einsetzen oder sich allgemein engagieren, egal wo, egal wie, und sich an den Gestaltungsprozessen beteiligen, damit wir uns nicht zu einer gehirngewaschenen Bevölkerung entwickeln. Die Zukunft liegt in unseren Händen.

Rainer LorenzMitglied des Ausschusses für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Bildung und Erziehung der Elften Kirchensynode der EKHN und ehemaliger Schulleiter

Vita: Geb. 1942, verheiratet, Vater und Großvater, nebenberufliche Tätigkeiten im Kinder- und Jugendbereich, 1968-1979 schulpolitischer, jugend- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Wiesbadener Stadtparlament, 1988-2000 Jugendwart im Handballbezirk Wiesbaden, Jugendschöffe über mehrere Wahlperioden am Amtsgericht Wiesbaden, 1973-1977 stellv. Schulleiter einer Gesamtschule im Aufbau in Wiesbaden-Klarenthal, 1977-2007 Schulleiter der Carl-von-Ossietzky-Schule, einem Oberstufengymnasium in Wiesbaden, nach der Pensionierung 2007 folgten noch 2 Jahre Unterricht an einer Privatschule in der Nähe Wiesbadens, in der Schüler (und erheblich weniger Schülerinnen) aller Schulformen waren, die aber fast ausnahmslos aus öffentlichen Schulen verwiesen waren oder kurz davor standen. Ziel: Stabilisierung der Persönlichkeit und Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses

    
These: 
Beziehungsarbeit und die Zuwendung zu den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern sind das A und O einer jeden Arbeit. Schulleiter_innen sind keine „Manager“, sondern in erster Linie Ansprechpartner_innen. Beratungsnetzwerke und die Kooperation mit pädagogischem wie auch nicht-pädagogischem Fachpersonal sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeit an der Schule. Wir brauchen keine immer neuen pädagogischen Konzepte, sondern berechenbare, empathische Lehrkräfte, die im Dienste der Schülerschaft stehen.

Stephan Da Re, Theologischer Jugendbildungsreferent (Fachbereich Kinder und Jugend im Zentrum Bildung der EKHN)

Vita: Geb. 1977 in Wiesbaden, Studium in Mainz, Einsatz im Religionsunterricht an verschiedenen Schulen, Gemeindepfarrer, Schulpfarrer, seit 2013 Theologischer Jugendbildungsreferent mit den Schwerpunkten Kinder- und Jugendtheologie, -spiritualität und -seelsorge in den schulbezogenen und außerschulischen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendarbeit 

 

These:
Dass Kirche und kirchliche Jugendarbeit in die Schule gehen, ist alternativlos. Um Schule von innen heraus zu verändern und mitzugestalten. Und um selbst verändert zu werden und sich verändern zu lassen. Schule und kirchliche Jugendarbeit können – und müssen – voneinander lernen, im Interesse von Kindern und Jugendlichen, die Schule nicht nur als Hort der Angst und des Versagens erleben, sondern auch als Ort, an dem sie ihre Freunde treffen, miteinander lachen und Spaß haben. Kinder und Jugendliche dort aufzusuchen, wo sie sind, sie zu begleiten, ihnen Orientierung zu geben und sie in ihrer Persönlichkeit zu stärken ist eine wichtige Aufgabe kirchlicher Bildungsarbeit. 

Dr. Harmjan Dam, Studienleiter des RPI

Vita: Geb. 1950 in Den Haag, Studium zunächst der Geographie und dann der Theologie, 1996 Promotion, 1988 Umzug nach Deutschland, 1989-1990 Theologischer Jugendbildungsreferent, 1990-1996 Landesschülerpfarrer, maßgeblich am Aufbau der schulbezogenen Jugendarbeit beteiligt, seit 1996 im RPI als Dozent für die Bereiche Gymnasium, Schulpfarrer, Schulseelsorge und Schönberger Hefte tätig, seit 2007 Stellvertretender Direktor, 2015 Fusion von RPI (EKHN) und PTI (EKKW) zum „RPI der EKKW und der EKHN“ (Marburg).


These:
Evangelische Kinder- und Jugendarbeit ist – wie alle kirchliche Arbeit – Begegnungsarbeit. Wer Menschen begegnen will, muss sich für sie öffnen und auf sie zugehen. Wenn junge Menschen ihre Lebenszeit vor allem in der Schule verbringen, wird man ihnen dort begegnen (müssen).
 
Dr. Peter Kristen, Schulseelsorger am Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Büdingen und Konventssprecher der Schulseelsorger_innen


Vita: Groß geworden in der ev. Jugendarbeit. Verh., 2 Töchter. 5 Jahre Gemeindepfarrer in Offenbach, seit 2003 Schulseelsorger. Mediator, „Krisenseelsorger an Schulen“. Leitet den „Wendepunkt“ am Büdinger Gymnasium: Aus- und Weiterbildung des Teams aus ca. 35 Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen, die u.a. in jeder Pause erreichbar sind, in konstruktiver Konfliktbewältigung, Mediation und Mobbingintervention.  Dahin kann man sich wenden, wenn sich etwas wenden muss. Vorstand des Konvents der
Schulseelsorger_innen, Radioautor.

These:
Wegen der Bildung brauchen wir die GTS, lügt die Politik, wir brauchen sie, weil wir nicht den ganzen Tag für unsere Kinder Zeit haben, denken die Eltern leise.
Weil wir nicht den ganzen Tag zocken, chatten, surfen oder alleine sein wollen, brauchen wir Euch, würden Kinder und Jugendliche sagen. Ihr sollt uns erzählen, Halt geben, neugierig machen und ins Leben begleiten.

Volker Heuser, Dekanatsjugendreferent Ev. Dekanat Ingelheim

Vita: Dipl.-Religionspädagoge / Gemeindepädagoge, 53 Jahre, arbeitet als Jugendbildungsreferent im Ev. Dekanat Ingelheim seit 1997, Orientierungstage / Reflexionstage mit Schulklassen verschiedener Schulformen der Stufen 8-10 sowie Berufsfachschulklassen gehören seit über 20 Jahren zum Angebotsspektrum der schulbezogenen Jugendarbeit vor Ort, ob und wie Schule und Jugendarbeit sinnvoll miteinander kooperieren können, wurde stets kritisch hinterfragt, insbesondere auch die Tragweite der Rahmenvereinbarungen nach der „Erfindung“ der Ganztagsschule in RLP.

These:
Die bildungspolitischen Reformen der letzten Jahre und die fortschreitende Verschulung im Alltag erdrückt unsere Kinder und Jugendlichen. Ihnen schwinden die notwendigen Freiräume und Zeiträume für individuelles Lernen und selbstbestimmtes Handeln, sie werden nicht klug, sondern krank. Jugendarbeit darf sich nicht freiwillig diesem Würgegriff hingeben, sondern muss ihren Platz neben Schule behaupten und ihrem Auftrag der Subjektorientierung konsequent nachkommen ohne den Verlockungen von Ganztagsschule und Co. als „chancenreicher Kooperationspartner“ zu erliegen. Ganztagsschulen sind ehedem wie Überraschungseier: Von außen gleich, aber innen drin steckt immer was anderes!

Jasmin Meister, Vorsitzende der EJHN e.V.

Vita: Geboren 1988, Abitur 2008, seit 2008 Studium Evangelische Theologie in Frankfurt und Mainz, mit 14 Jahren Mitarbeit im KiGo-Team und im Dekanat, seit 2009 im Vorstand der EJHN, seit 2010 Vorsitzende der EJHN, seit 2010 Jugenddelegierte in der EKHN-Synode

These:
Evangelische Jugendarbeit ist genau dort, wo evangelische Jugendliche sind: Auf die Schule fertig los!!!

Reiner Lux, CVJM (Teilnahme nur am Podiums- und Expert_innengespräch)
Vita: Seit 1981 hauptamtlich im CVJM in der Kinder- und Jugendarbeit, Arbeitsschwerpunkte z.Z.: Regionale Begleitung des CVJM vor allem in Südhessen, Mitarbeiterausbildung, gesellschaftspolitische Fragen

These:
Schulapparat und Ehrenamt passen nicht zusammen, und die oft angesprochene Diskussion auf Augenhöhe zwischen Schule und außerschulischen Bildungsträgern ist Augenwischerei.