„Gewalt hat eine Geschichte“

"Gewalt hat eine Geschichte“, so lautet das Motto eines bewährten Jugendprojekts zur Aufarbeitung und Prävention.

Im feierlichen Rahmen stellten am 18.11. 2022 im Gymnasium Nackenheim die Gruppen ihre Beiträge vor, musikalisch mitgestaltet von der Orchester-AG unter Leitung von Herrn Ulrich Lorenz. Alle wurden begrüßt durch den gastgebenden stellvertretenden Schulleiter Herrn Frank Zinecker. Grußworte kamen von Johanna Stein vom Organisationsteam der Veranstaltung sowie von Simone Reinisch, stellvertretende Leiterin des Fachbereiches Kinder und Jugend der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
In den vergangenen Jahren waren beeindruckende Beiträge zur Gedenkarbeit vor allem digital eingereicht worden, doch dieses Jahr fand die Veranstaltung endlich wieder in Präsenz statt.
Der Geschichtsverein Oppenheim e.V., das Jugendhaus Oppenheim mit Leiter Jürgen Salewski, die Gedenkstätte KZ Osthofen, der Fachbereich Kinder und Jugend im Zentrum Bildung, der Kreis Mainz-Bingen und das Ev. Dekanat Ingelheim-Oppenheim wirken dabei zusammen.
Enormes ehrenamtliches Engagement liegt in den Händen von Johanna Stein und Klaus Hagemann. Geschichte immer wieder in Erinnerung zu rufen, daraus zu lernen und dies an die nächste Generation weiterzutragen, ist ihnen sehr wichtig. Die zwölf präsentierten Arbeiten spannten den Bogen von der Vergangenheit zu unserer Zeit.

Die Schüler*innen der Landskronschule Oppenheim setzten sich mit dem Schicksal der jüdischen Familie Spiegel aus Oppenheim auseinander. In einem Videoclip und einem Vortrag zeigten sie den Ort, an dem sie lebten. Damals wohnte die Familie, die Eltern Beta und Norbert Spiegel, die Schwester Henni und Walter Spiegel zusammen mit der Großmutter Lina Hirsch in der Mainzer Straße in Oppenheim. Nach den Novemberpogromen von 1938 versuchte die Familie verzweifelt, eine Auswanderungsgenehmigung zu bekommen, doch das Verfahren war kompliziert und langwierig. So nutzte die Familie die Möglichkeit, im Januar 1939 den damals 13jährigen Walter mit einem Kindertransport nach Basel zu schicken. Für den Jungen folgten Jahre der Flucht, die ihn schließlich in die USA führten. Walter Spiegel überlebte als Einziger seiner Familie. Sein Eltern, seine Schwester und seine Großmutter wurden deportiert und ermordet. Die Schüler*innen des Gymnasiums Nackenheim gestalteten eine szenische Lesung zu Briefen der jüdischen Familie Wolff aus Nackenheim. Das professionelle Projekt beschäftige sich mit „Nackenheim im Nationalsozialismus- Erinnerung gestalten“. Schülerinnen und Schüler der jetzigen Mainzer Studienstufe (MSS11 und 12), Studierende, Lehrerinnen und Lehrer sowie historisch Interessierte haben sich mit der Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in Nackenheim und einer Sichtbarmachung der Erinnerung im digitalen und öffentlichen Raum beschäftigt. Die Ergebnisse der Arbeit werden auf einer Website www.nackenheim-im-nationalsozialismus.de präsentiert. Das Projekt verbindet generationsübergreifend eine partizipative und multimediale Erinnerungsarbeit vor Ort. Neben der Sichtbarmachung historischer Spuren in Nackenheim wird gezielt auch das Internet als „Erinnerungsraum“ genutzt.  Verlegung von Stolpersteinen in Nackenheim sind im Frühjahr 2023 geplant ist. Am 12. November 2022 fand die Preisverleihung des Ideenwettbewerbes 4.0 – „Digitalisierung im Ehrenamt“ in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei in Mainz statt. Unter den prämierten Projekten wurde auch das Geschichtsprojekt „Nackenheim im Nationalsozialismus“ und der Arbeitskreis Stolpersteine ausgezeichnet.

Die Gruppe der Konfirmand*innen aus Oppenheim beschäftigte sich ebenfalls mit Walter Spiegel aus Oppenheim aus der Sicht der „Kindertransporte als Rettung“.

Schüler*innen der Carl Zuckmayer Realschule plus aus Nierstein trugen eine Powerpointpräsentation zu den Themen Sexismus und sexuelle Gewalt vor unter dem Titel „97% sind zu hoch“.

Eine weitere Gruppe aus Nierstein gestaltete das Thema „Cybermobbing“. Mit dem Begriff werden verschiedene Formen der Verleumdung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung anderer Menschen oder Unternehmen mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel über das Internet, in Chatrooms, beim Instant Messaging und/oder auch mittels Mobiltelefonen bezeichnet. Dazu gehört auch der Diebstahl von (virtuellen) Identitäten, um in fremden Namen Beleidigungen auszustoßen oder Geschäfte zu tätigen. Cyber-Mobbing gehört zu einer der zentralen Gefahren im Umgang mit Internet und neuen Medien. Sie stellten damit einem Thema, mit dem sie selbst direkt konfrontiert sind und gleichzeitig bauten sie eine Brücke zur Gewalt heute.

Aus dem Buch „Damals war es Friedrich“ lasen Schüler*innen des Gymnasiums Nackenheim vor. Sie haben sich im Rahmen ihres Evangelischen Religionsunterrichts mit dem Buch von Hans Peter Richter auseinandergesetzt.

Das Kornsandverbrechen, räumlich in direkter Nähe zur Integrierten Gesamtschule Oppenheim (IGS) beschäftigte die Schüler*innen. Als Kornsandverbrechen wird die Ermordung von fünf politisch missliebigen männlichen Zivilisten und einer als vermeintliche Jüdin verfolgten Frau aus Nierstein und Oppenheim am 21. März 1945 während des Zweiten Weltkriegs durch Wehrmachts- und NSDAP-Personal auf dem Kornsand bezeichnet, der auf der Nierstein und Oppenheim gegenüberliegenden rechten Rheinseite liegt. Die Tat ereignete sich nach dem fluchtartigen Rückzug deutscher Truppen mit der Rheinfähre auf dem Kornsand von dem nur kurzzeitig eingerichteten und gehaltenen linksrheinischen Brückenkopf Oppenheim auf die andere Rheinseite vor den von Westen anrückenden Amerikanern. Die amerikanischen Panzer waren zur Tatzeit schon auf den Weinbergen über Oppenheim sichtbar. Die Tat führte der Wehrmachtsleutnant Hans Kaiser auf Geheiß ebenfalls evakuierter Niersteiner NSDAP-Funktionäre durch.  

Weitere Schüler*innen aus der IGS drehten ein Video zum Thema Antisemitismus.

Der Besuch der Gedenkstätte Osthofen stand auf dem Plan der Schüler*innen der 10. Klasse des St. Katharinen Gymnasiums in Oppenheim. Sie berichteten über das Erlebte und trugen ein Workshop-Ergebnis vor. Auf der Grundlage der am 28. Februar 1933 erlassenen "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat", die der Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte dienen sollte, hatte der Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen, der Nationalsozialist Dr. Werner Best, zum 1. Mai 1933 die Schaffung eines Konzentrationslagers für den damaligen Volksstaat Hessen in Osthofen bei Worms angeordnet. Dort hatten aber bereits Anfang März örtliche Nationalsozialisten eine leerstehende Papierfabrik beschlagnahmt und als Konzentrationslager genutzt. Das Konzentrationslager bestand vierzehn Monate.

Eine Schülerin der Niersteiner Realschule plus untersuchte ebenfalls das KZ Osthofen mit dem Hintergrund des Buches „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers.

Daran schloss sich der letzte sehr persönliche Vortrag zur „Gewalt gegen Frauen im Iran“ an.

Im Anschluss an die  tollen Präsentationen gab es vom Schirmherren des Projektes, Herrn Klaus Hagemann eine Preisverleihung. Er bedankte sich für das außerordentliche Engagement der Gruppen.
Dass jeder etwas tun kann, war die Botschaft beim Blick auf alle Anwesenden.