Ist es vorbei? Das Arbeitsfeld zwischen Akzeptanz und Re:Start

Ein Bericht zum Fachtag Re:Start am 10. Februar 2022

Es klingt so einfach: Re:Start - der Neustart in der Evangelischen Arbeit mit, von und für Kinder(n) und Jugendliche(n). Wie ist das möglich? Die Arbeit wurde im März 2020 in Präsenz abrupt beendet und Gemeindepädagog*innen arbeiteten im Homeoffice weiter. Das Feld war schwer betroffen und musste in der Krise ständig neu organisiert werden.

Wie fange ich neu an, von welchen Projekten verabschiede ich mich? Was hat sich in zwei Jahren Pandemie bewährt? Erste Gedankenanstöße gab im Rahmen des Fachtags Dr. Kathinka Hertlein, Referentin für Theologie und Jugendsoziologie in der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugendin Deutschland e. V. (aej).

Die Krise als Möglichkeitsraum betrachten

Die eigene Haltung leiste in der Krise einen entscheidenden Beitrag. Hertlein bediente sich dabei einer Analogie zu Philipper 2 (5-11): Gott kam auf die Erde und wurde Mensch. Entäußerte sich bis zum Tode und hob empor in den Himmel. Daraus leitete sie folgende Idee ab: Junge Menschen nun wahr- und ernstnehmen, dann das Potenzial entwickeln und daran wachsen. Zu guter Letzt den Blick heben und ethisch handeln. Jetzt sei die Zeit von Resilienzübungen, Analyse der eigenen Situation und der Frage „Was braucht es gerade jetzt, um das Evangelium zu kommunizieren?“ Im Detail empfahl sie eine SOAR-Analyse anzustreben: Was sind die besonderen Stärken dieser Situation? Was sind die größten Chancen dieser Situation? Was sind die Perspektiven, Hoffnungen und Erwartungen? Welche Ergebnisse und Ziele sollen erreicht werden?

Akzeptanz anstelle von Re:Start

Stimmen unter den Fachtagsteilnehmer*innen wurden laut, dass man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht an einen Neustart denken kann. Nach dem Motto „Machen, was geht“ wird gerade weiterhin auf Sicht geplant. Teamer*innen können noch nicht wieder in vollem Umfang gefordert und gefördert werden. Vielerorts fehlen auch Räume, die groß genug sind, um Treffen auf Abstand zu ermöglichen. Zusammen gefasst: Ein Re:Start ist unter diesen Gegebenheiten noch weit entfernt. Man einige sich auf den Zustand von Akzeptanz. Auch wenn Situationen immer wieder neu gedacht werden müssen, ist es die Aufgabe der Kirche, immer wieder die Situation neu zu betrachten und danach zu handeln.

„Jugend.Faktor.Kirche“ und die Corona-Krise

In Bezug auf das von ihr mitentwickelte Positionspapier der AEJ „Jugend.Faktor.Kirche“ betonte Dr. Kathinka Hertlein, dass junge Menschen nun dringend in ihren Kontexten wahrgenommen und verstanden werden müssen. Sowohl Jugendliche selbst als auch ihre Partizipation seien in einer Krise. Aktuelle Zahlen aus der Württembergischen Landeskirche verzeichnen einen Rückgang der ehrenamtlichen Mitarbeit während Corona von 50%. Teilnehmer*innen des hiesigen Fachtages berichteten von ähnlichen Erfahrungen in ihrem Arbeitsfeld. Doch dort, wo analoge, physische Treffen in den letzten beiden Jahren möglich waren, ist kein Schwund von Ehrenamtlichen festzustellen, so vereinzelte Aussagen.

Ebenfalls krisenbehaftet seien die Ressourcen in der Jugendarbeit, wie auch das Ehrenamt und die Beruflichkeit selbst. „Man jongliert als Gemeindepädagog*in gerade zwischen Krisenmanagement und ständigem Umorganisieren“, so Hertlein. War man früher Gastgeber*in in einem Beziehungsraum, so fällt die Seelsorge heute hinten herunter. Diesen Dauerzustand belastet zunehmend auch beruflich Tätige in der Kinder- und Jugendarbeit.

 

Kirche als Faktor für junge Menschen nachzulesen im Positionspapier der AEJ „Jugend. Faktor. Kirche.“

Wo laufen sie denn? Ehrenamtsmanagement in Krisenzeiten

Ehrenamtliche wieder gewinnen oder gar neue finden? Welche Tipps und Ideen es im Feld des Ehrenamtsmanagements zurzeit gibt, beleuchtete Ina Wittmeier, Referentin der Ehrenamtsakademie in der EKHN. Sie ist in der Akademie u.a. zuständig für die Ausbildung von Ehrenamtslotsen und Freiwilligenmanager*innen. Sie gab einen detaillierten Einblick in die sogenannten sechs B’s: Bewerben, Beginnen, Begleiten, Beteiligen, Bedanken und Beenden. Ein Kurzvideo erklärt den Zyklus des Freiwilligenmanagements. Auf der Webseite der Ehrenamtsakademie finden Interessierte eine Materialsammlung für das Freiwilligenmanagement, inklusive konkreter Handlungsempfehlungen für digitales Management und Reflektionsfragen in der Pandemiezeit. 

Resilientes Arbeitsfeld - resiliente Kinder und Jugendliche: Lasst die Zuversicht wachsen!

„Wichtig für den Re:Start, das Weitermachen oder auch das Ehrenamtsmanagement ist die Gesundheit der eigenen Seele, der sogenannten Resilienz.“, sagte Tanja Grießmann. Sie referierte als Mediatorin und Resilienztrainerin zum Thema „Re:Start – lasst die Zuversicht wachsen." Ziel sei es, mit Zuversicht voranzugehen und das den Jugendlichen auch zu vermitteln. Doch was können wir tun, um Zuversicht wachsen zu lassen? Akzeptanz sei ein Schlüssel von Resilienz. Genauso wie Zukunftsorientierung, Optimismus, ein Netzwerk, Lösungsorientierung, Selbstwirksamkeitserwartung und Verantwortung. Resilienztraining schaut auf das Hier und Jetzt. Was ist Stand der Dinge und wie kann ich damit umgehen? Als kleine Übung für Zuhause empfiehlt Grießmann: „Was war denn heute eigentlich gut? Und was habe ich geschafft?“ Eine Did-It-Liste anstelle einer To-Do-Liste hätte einen ähnlichen Effekt auf die Seele.

Resiliente Pädagog*innen stehen den Jugendlichen so als Seelsorger*innen besser zur Seite und verbreiten Zuversicht. Sie ebnen Jugendlichen den Weg in die Selbstständigkeit, helfen ihnen, sich selbst zu entwickeln und sind Beobachter*innen und Begleiter*innen sensibler Perioden und geben den Jugendlichen gute Impulse.

Geschrieben von Wiebke Heß

 

Weiterführende Links und Materialien zum Thema Re:Start: