Die Fachtagung der Arbeit mit Kindern der Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend in Deutschland e.V. (aej) fand vom 28.-30. November 2012 im Bildungshaus Sankt Ursula in Erfurt statt. Geleitet wurde die Tagung von Erika Georg-Monney und Simone Reinisch. Hauptberufliche und ehrenamtliche Verantwortungsträger/innen aus Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe kamen aus ganz Deutschland nach Erfurt, um sich mit dem Thema vertraut zu machen. Die Armut von Kindern in Deutschland wird seit geraumer Zeit nicht nur in den Medien und der Politik, sondern auch in der Kinder- und Jugendarbeit intensiv diskutiert. Fast jedes 5. Kind in Deutschland wächst in Armut auf und nur ein armes Kind, ist ein Kind zu viel. Armut hat gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Partizipation.

Wir arbeiten mit Kindern und sollten deshalb nicht nur informiert sein, sondern uns einmischen in die Politik. Aber vor allem haben wir die Möglichkeit, Kinder zu stärken und zu fördern. Soziale und personelle Ressourcen schützen Kinder gegen die Auswirkung von Armut.

Zu Beginn der Tagung, nach Begrüßung und Kennenlernen, referierte Prof. Dr. Christoph Butterwegge von der Universität zu Köln über „Kinderarmut und sozialer Ausschluss – Umfang, Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der Armut von Kindern!“

Anschließend diskutierten die mehr als 30 Teilnehmenden mit ihm und untereinander.

Er ging auf die Fragen ein, warum der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung „geschönt“ wurde. Er referierte über Armutsverständnis, über Zahlen von armen Kindern und Jugendlichen, über Auswirkungen und Lösungsmöglichkeiten. Er sagte, „Armut in einem reichen Land, kann sehr bedrückend sein, z.B. wenn ein Kind ausgelacht wird, weil es im Winter Sommerkleidung trägt“. „Die Armut bei uns verdient es, ernst genommen zu werden“, so der Professor. Nach seinem Verständnis sind Armut und Reichtum zwei Seiten der gleichen Medaille. Es gibt so viele arme Kinder, wie noch nie, aber es gibt auch so viele reiche Kinder wie noch nie. Die Gesellschaft triftet auseinander in Arm und Reich. Als Lösungsansätze gab er vier G’s an: 

  • Gesetzlicher Mindestlohn: Diesen braucht man, weil Armut von Kindern und Jugendlichen in der Regel die Armut der Mütter ist.
  • Ganztagsbetreuung: Dies brauchen vor allem alleinerziehende Mütter, um einer Ganztagsbeschäftigung nachzugehen.
  • Gemeinschaftsschule: Denn Kinder werden in Deutschland häufig in einer hierarchisch strukturierten Schule unterrichtet, dort reproduziert sich in der Schule die Armut.
  • Grundsicherung: Die Grundsicherung für Kinder und Jugendliche muss armutsfest und repressionsfrei sein.

Nach einer Diskussion und weiterem inhaltlichen Zusammenarbeiten in Kleingruppen gab es am Abend einen Bibliolog zu Armut und Ausgrenzung von Erika Georg Monney. 

Am nächsten Tag trug Simone Mascher, Resilienztrainerin aus Göttingen einen Vortrag und praktische Übungen zu Resilienz vor. Resilienz beschreibt die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen. Sie ist die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meiden und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Diese Konzepte gehen in Krisensituationen von alternativen Sichtweisen aus. Früher bezeichnete der Begriff Resilienz nur eine spezielle Eigenschaft von Personen (besonders Kindern), die ihre psychische Gesundheit unter Bedingungen erhielten, unter denen die meisten Menschen zerbrochen wären. In diesem Sinne wurde der Begriff z.B. von Emmi Werner benutzt. Um ein Kind als resilient zu definieren, wurden oft Merkmale der Lebensführung miteinbezogen. Oft wurden etwa Kinder so bezeichnet, die – trotz Bedingungen wie Armut oder Flüchtlingssituation in der Kindheit – im Erwachsenenalter eine qualifizierte Berufstätigkeit ausüben, nicht mit dem Gesetz in Konflikt kamen und psychisch unauffällig waren. Später wurde die Bedeutung ausgeweitet. Dies ist mit der Erkenntnis verbunden, dass psychische Widerstandsfähigkeiten nicht nur in Extremsituationen, sondern immer von Vorteil ist. Heute werden Menschen (besonders Kinder) mit diesem Merkmal oft allgemein als resilient bezeichnet. Nach der Referentin Simone Mascher handelt es sich dabei um einen aktiven Prozess, in dem es besonders um die Haltung geht, sie beschreibt drei Haltungen die dazu nötig sind: 

  • Optimismus
  • Akzeptanz
  • Lösungsorientierung.

Diese Haltung wird flankiert mit: 

  • Verantwortung übernehmen
  • Sich selbst regulieren
  • Beziehung gestalten
  • Zukunft gestalten.

Resiliente Kinder und Jugendliche besitzen die Fähigkeit, Möglichkeiten dort zu ergreifen, wo sie sich bieten. Doch dort wo sich keine Möglichkeiten bieten, sind selbst resiliente Kinder und Jugendliche machtlos.

Am Nachmittag diesen Tages wurde vor Ort der Verein junger Menschen in Erfurt besucht (CVJM Erfurt). Dort lernten die Teilnehmer/innen der Fachtagung konkrete Maßnahmen für Kinder kennen. Sie sprachen mit den Mitarbeitenden Thomas Riedel, dem Leiter des Kindercafés, der Gemeinde- und Sozialpädagoge ist. 

Am nächsten Tag hielt Erika Georg-Monney einen Vortrag über „Kinder stark machen – Empowerment als pädagogisches Konzept in der Arbeit mit Kindern“. Nach einem Referat stiegen die Teilenehmer/innen in die Diskussion ein. Empowerment – Zugänge zu einem (nicht mehr ganz neuen) Begriff. Die wörtliche Übersetzung bedeutet Selbstbemächtigung oder Selbstbefähigung. Im Empowermentkonzept geht es darum, die Menschen zu stärken, Ressourcen zu fördern und personale Kompetenzen weiterzuentwickeln. Dies sind Stichworte, die auf ein Handlungskonzept verweisen, das in den letzten Jahren zum Fixstern am Himmel der Psychosozialen Arbeit avanciert ist. Das Empowerment-Konzept ist ursprünglich eine Importware aus dem Bereich der Bürgerrechtsbewegung und der gemeindebezogenen sozialen Arbeit in den USA. Hier ist das Konzept ein echter Kursgewinner auf dem Ideenmarkt der Sozialpädagogik und hat viele Modellprojekte stimuliert, z.B. in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und in der Gesundheitsförderung. Ziel der Empowerment-Praxis ist es, die vorhandenen (oft verschütteten) Fähigkeiten der Menschen zu bekräftigen und Ressourcen freizusetzen, mit deren Hilfe sie die eigenen Lebenswege und Lebensräume selbstbestimmend gestalten können.

Nach Erika Georg-Monney sind Bausteine einer sichernden und stärkenden Pädagogik:

  • Ein Klima der Akzeptanz und des Angenommenseins
  • Die Erreichbarkeit von sozialen Anforderungen
  • Die Vielfalt auch konflikthafter Erwartung
  • Die Aushandelbarkeit von sozialen Normen
  • Selbstgestalten können.

Die Teilnehmenden nahmen Anregungen auf und erarbeiten in einer Kleingruppenarbeit die Öffnung zu einem Ressourcenblick. 

Nach dieser Einheit werteten die Teilnehmer/innen die Tagung aus. Wichtig war ihnen, Kinder direkt zu unterstützen. Ganz wesentlich ist ihnen, politisch an diesem Thema weiterzuarbeiten. Sie sind daran interessiert, dass das Thema Grundsicherung für Kinder in der aej weiter voran getrieben wird.

Für den Bericht:
Simone Reinisch / 03.12.12.